Ich bin reichlich zu spät, doch besser spät als nie, nicht wahr? Mittlerweile ist die Grundausbildung schon komplett gelaufen und ich befinde mich bereits in der Stammeinheit, aber ich wollte die Berichte dennoch nicht mittendrin abrechen lassen - deswegen nun, Woche 11, das zweite, oder, wie man beim Bund sagt, zwote Biwak und die daran anschließende Rekrutenbesichtigung.

War es im ersten Üblager erst Dienstags rausgegangen, startete das ganze nun schon am Montag. Die Sachen sollten Sonntags schon gepackt werden, daher gab es nach dem Frühstück sogleich die Befehlsausgabe und dann folgte der Abmarsch. Nach etwa neun Kilometern bezogen wir denselben Platz, den wir auch in der Woche davor schon belegt hatten. Der erste Tag war ansonsten nur noch von Lager herrichten, Zelt aufbauen, Tarnung basteln und planen geprägt. Zum Abend hin kam dann noch die erste Ausbildung im Feuerkampf, ehe wir bis zum Anbruch der Dunkelheit an unseren Stellungen arbeiten sollten. Insgesamt war der Tag recht entspannt, doch körperlich schon fordernd, sodass wir alle froh waren, gegen 22 Uhr in den Zelten zu liegen. Doch die Nacht war für jedermann kurz, denn unsere Gruppe bestand nur noch aus etwa acht Mann, von denen immer zwei im Alarmposten liegen mussten - Sinnloses Unterfangen, denn in der absoluten Dunkelheit sah man ohnehin rein gar nichts. Man merkt also, jeder kam mehrmals an die Reihe und niemand hatte wirklich erholsamen Schlaf. Doch die Nacht gab es keinen Alarm, sodass uns das bisschen gnädige Ruhe doch blieb.

Der Dienstag begann gegen fünf Uhr mit einer eiskalten Katzenwäsche und dem Frühstück. Und den ganzen Tag passierte eigentlich nichts anderes als Ausbildung im Feuergefecht und dem Feuerüberfall, gespickt von einer Essenspause. Ärgert einen ja schon, dass es nur Suppe gab, obwohl man am Verhungern war. Nun, nach dem Essen ging die Ausbildung weiter, ansonsten verbesserten wir noch den Platz der Gruppe, bauten die Tarnungen aus und machten es uns halbwegs mit Baumstämmen bequem. Die zweite Nacht dann war unsere Gruppe dran mit Streife - meiner Meinung nach besser als der Alarmposten. Bewegung hält warm, man schläft nicht ein und es ist reichlich spannender als ins Nichts zu starren. Auch dieses Mal kam jeder mehrmals dran, und auch dieses Mal schlief niemand wirklich lange und gut, denn dieses Mal kam Alarm. Gerade, als meine Kameraden und ich von der Streife kamen, uns ausgezogen und in den Schlafsack gekuschelt hatten, wurden wir auch schon wieder rausgeschmissen. Etwa gegen 2 Uhr morgens. Also schnell rein in Hose und Jacke, irgendwie die Stiefel an, irgendwie die Schnürsenkel verknoten, irgendwie Koppel und Helm anlegen, G36 fertigladen und rennen, kriechen, gleiten. Das alles, nur um zu hören, dass der Feind bereits ausgewichen war.

Erholsamer Start in den Mittwoch. Dieser Tag war die reinste Nervenprobe. Die Ausbildungen wurden allesamt noch einmal aufgefrischt und vertieft, die Anmarschwege zu den Stellungen perfekt ausgebaut, die Plätze der Gruppe abgeschlossen, und zwischendurch immer und immer wieder Alarm. Immer wieder alles stehen und liegen lassen und rennen. Und - da meine Gruppe echt blöde Stellungen hatte - viel gleiten. Nun, mein Feldanzug war nicht mehr gefleckt, sondern vorne komplett matschbraun. Schön, nicht? Dazu regnete noch, es war kalt - das perfekte Grenadierwetter, na klar, zum Mittagessen gab es wieder Suppe, dieses Mal sogar noch verdünnt vom Vortag, und damit war dann auch jeder schlecht gelaunt.
Das war so ziemlich der Mittwoch. Am Abend wurde dann noch EPA, also Ein-Mann-Pakete ausgeteilt. Highlight. Es gab Panzerkekse, Schokolade, isotonisches Getränkepulver, richtiges Essen, Kaugummis, Obstsalat. Der Traum des hungrigen Soldaten. Damit war der letzte Abend im Felde gerettet. Wir schlugen uns also alle den Bauch voll und bekamen dann sogar schon um 19 Uhr die Erlaubnis, ruhen zu dürfen. Zwei Kameraden und ich machten uns auf die erste Streife standen um vier Uhr für die zweite Streife auf. Was sehr geil war, denn genau dann kam Alarm. Was ebenso geil war, dass das Zelt meiner Kameradin und mir direkt neben dem des Ausbilders lag und wir den Funk mithören konnten. Kam also Alarm, waren wir schon draußen, bevor die eigentliche Alarmierung kam. So, um vier Uhr Alarm, da waren wir.
Ich hatte mich schon vollständig angezogen und war fertig, konnte also noch ein wenig durchatmen, ehe es in die Stellungen ging. Und dieses Mal gab es wirklich ein Gefecht. Man schoss auf uns, wir schossen auf Gegner, Leuchtkörper waren die einzigen kurzen Lichtquellen. Es war Wahnsinn. Schlussendlich lagen wir etwa anderthalb Stunden da und 'kämpften', doch es kam mir wie Minuten vor.
Es folgte eine Abschlussbesprechung, eine sogar sehr positive Besprechung, und dann hieß es auch schon Zelte abbauen und alles verpacken. Da unsere Gruppe die letzte war, die Abmarschieren sollte, hatten wir genug Zeit, um zu frühstücken und zu packen und dann sogar noch ein bisschen auszuruhen.

Und dann folgte die Rekrutenbesichtigung. Unsere Aufgabe war es, vier Stationen anzulaufen. Nach etwa zwei Kilometern quer über Stock und Stein erreichten wir die erste Station, in der jeder einzelne von uns an einem Verwundeten Erste Hilfe leisten und zeigen musste, dass er dazu fähig war. Ich hatte einen verstörten Patienten mit wenigen Verletzungen und erzählte ihm dann munter all die lustigen Geschichten aus dem Biwak, wie jemand seine Waffe verloren hatte und anleinen musste, wie jemand mit dem Klappspaten in Stellung lag und "PENG" brüllen musste - ja, das ist wirklich passiert - und bescherte dem armen Schauspieler dann sogleich einen Lachflash. Aber gut, die Prüfung war bestanden.
Es ging etwa weitere zwei Kilometer weiter zur nächsten Station, in der es darum ging, ein G36 so schnell wie möglich zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Augenscheinlich. Eigentlich ging es nur darum, vorher eine Sicherheitsüberprüfung zu machen, um den sicheren Umgang an der Waffe zu beweisen - und genau diesen Punkt vergaßen viele.

Anschließend kam mit einer der härtesten Momente des Tages. Es waren vielleicht vier Kilometer bis zur nächsten Station, doch diese führten mitten unter der Sonne her, quer durch hohen, lockeren Sand und über steile Panzerwälle auf und ab. Mir war warm. Das kann ich dazu sagen.
An der dritten Station mussten wir in 15 Minuten eine Wegeskizze zeichnen und alles beachten und genau so machen, was und wie wir es gelernt hatten. Einige waren ganz pfiffig, nahmen Butterbrotpapier vom eingepackten Essen, legten es auf die Karte und zeichneten den Weg ganz stumpf ab. Wenn das keine Idee war.

Der letzte Kilometer zur letzten Station folgte einer Straße und war somit recht einfach zu bewältigen. Dort mussten wir ein SEM 76, ein uraltes fettes Funkgerät, zusammensetzen, eine Funktionsprüfung machen und einen Funkspruch absetzen. Wer da im Unterricht aufgepasst hatte, konnte das einigermaßen bewältigen.
Danach kehrten wir zum Platz der Gruppe zurück und verpflegten dort. Ich schmolz mir die Schokolade und packte sie in den Obstsalat...auf was man nicht alles kommt. Aber gut geschmeckt hat es.
Und dann folgte der große Marsch. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer es waren, aber ich schätze so an die 18-20. Wir liefen eigentlich nur stumpf in Schützenreihe vor uns hin, versuchten mit den Schmerzen in unseren Schultern klarzukommen, lachten und weinten hier und da, und schafften es ohne einen Ausfall. Es folgte ein Verwundetentransport über drei Kilometer. Sprich, sechs Man trugen die Trage, die anderen beiden die Ausrüstung des Verwundeten. Ich lief abwechseld mit einem zweiten Rucksack, einer zweiten Koppel und G36 und mit einer Hand an der Trage. Das war auch mit einer der anstrengensten Teile. Doppelte Belastung, keinerlei Pausen vom Tragen.
Und endlich, endlich waren wir in der Kaserne. Es ging bereits auf den Nachmittag zu, und wir legten den Rest zur Hindernisbahn zurück. Irgendwie habe ich einen kompletten Filmriss davon, aber irgendwie kam ich rüber. Man möge denken, danach sei alles vorbei, doch nein, es folgte eine weitere Überraschungsstation, die zeigen sollte, ob wir in diesem Zustand noch fähig waren, zu denken. Es ging um Karte und Kompass. Wir mussten Marschkompasszahlen errechnen, Koordinaten herausfinden, Koordinaten zuordnen und solche Dinge. Kopfsache, doch es tat gut, für zehn Minuten einfach dazusitzen und rumzukritzeln.

Und dann folgte der Abschnitt, vor dem ich persönlich und aus welchen Gründen auch immer die meiste Angst gehabt hatte. Der Laufschritt zurück zum Kompaniegebäude. Alle waren ohnehin schon offen, hatten Schmerzen, wollten nicht mehr. Aber ich glaube, genau das war der Grund, weswegen es alle schafften. Man spürte kaum noch was, war irgendwie neben sich und machte einfach nur, die stille Hoffnung in sich tragend, dass es, sobald man da war, vorbei war. Und so kam ich an. Und die anderen auch.
Die Waffen wurden entladen, es ging rein, es ging raus, und es kam der Befehl zum Fertigladen und zum Marsch-Marsch. An diesem Punkt brachen einige Kameraden wortwörtlich zusammen. Gaben einfach auf. Und die, die noch mitliefen, wurden überrascht, dass es nur etwa zehn Meter waren, ehe wir wieder anhielten und die Rekrutenbesichtigung für beendet erklärt wurde.
Manche brachen in Tränen aus, manche lachten hysterisch, und ich ging erstmal aufs Klo und war glücklich damit.

Der Abend bestand nur noch aus Ausrüstung nachbereiten. In Socken und Latschen. Danach Duschen zu gehen war das Schönste. Heißes Wasser nach vier Tagen Dreck. Zum Glück konnte ich selbst nicht riechen, wie ich stank.
Nun. Kurz nach dem Duschen wurden wir rausgerufen. Eine Anlage war aufgebaut worden, Bier stand an der Wand entlang, es wurde ein Lied gespielt, und dann war die Barettverleihung. Leider bekamen viele Kameraden keines - doch umso glücklicher war ich, dass man mir eines aufsetzte. Kurz glücklich. Denn so, wie Ausbilder nun einmal sind, hatten sie Tarnschminke und Schuhcreme in die Baretts geschmiert. Schwarze Stirn, schwarze Haare... und genau deswegen sollten wir vorher duschen gehen. Es wurde Bier getrunken, bis alle angetrunken waren, und dann ging es ins Bett.

Der Freitag war geprägt von Waffen und Ausrüstung reinigen, ehe es nach Hause ging. Ich glaube, ich habe noch nie so lange geduscht und danach solange geschlafen, wie an diesen Tagen.

Von dieser Woche an trug ich dann das Barett. Und ich kann euch sagen, ich war stolz darauf. Wir, die Rekruten aus dem Charlie-Zug, waren verdammt stolz darauf, denn wir hatten die Grundausbildung hinter uns, und nun, wo wir uns all dessen bewusst waren... ja, da hatten wir wirklich ein Recht dazu, richtig, richtig stolz zu sein.