Ob Sie behindert sind!? Jawohl. Nun, da schreibt man schon Tagebuch, um endlich wieder mehr berichten zu können, und dann lässt man es auf Stube liegen. Und da viele Soldaten unter allzu verfrühter Demenz leiden, muss ich auch diese Woche wieder aus dem Nähkästchen plaudern und kann nur prägsame Ereignisse genauer erläutern.

Wie dem auch sei, fangen wir doch bei Montag an. Wider aller Erwartungen ging es nicht sofort los mit der Sanitätsausbildung, sondern mit einem morgendlichen Unterricht mit dem Schwerpunkt Karte und Kompass. Denn, wie manche vielleicht wissen, muss ein jeder Soldat damit umgehen können, da Navigationsgeräte, insbesondere im Einsatz, nicht immer einwandfrei funktionieren, eine Karte dagegen immer vertrauenswürdig ist – sofern man sie denn richtig benutzen kann. Demnach lernten wir in diesem Unterricht, wie man eine Karte richtig liest, wie man Koordinaten aufschreibt, wie man Koordinaten findet und so weiter. In einem zweiten Abschnitt des Unterrichtes nahmen wir dann noch Meldungen durch, sprich, was alles in einer Meldung vorhanden sein muss und in welcher Reihenfolge.
Anschließend ging es mit Stubenunterricht weiter, in dem wir einen Kompass in die Hand bekamen und erst einmal die einzelnen Bauteile lernten und wie man so grob damit zurechtkommt. Nach diesem wenig spannenden Unterrichtsthema ging es dann raus zur praktischen Ausbildung. Wir lernten, wie wir mithilfe Karte und Kompass unseren eigenen Standort ermitteln konnten, wie lernten, wie man von A nach B kommt und so weiter. Während die anderen Gruppen dafür die Kaserne verließen, blieb meine Gruppe innerhalb der Kaserne auf einer Wiese, da wir für ein Gespräch mit einem Oberstleutnant eingeplant waren. Dieses Gespräch folgte auch auf dem Fuß. Er wollte von uns wissen, wieso wir zur Bundeswehr gegangen sind, was wir erwartet haben und ob die bisherige Grundausbildung unseren Erwartungen gerecht wurde. Zudem hatten wir die Möglichkeit, vor eben diesem Oberstleutnant und dem Hauptmann unserer Kompanie vollkommen frei zu sprechen und auch Dinge anzumerken, die uns nicht allzu gut passten. Diese Gesprächsrunde war mein persönliches Highlight des Tages.
Leider weiß ich nicht, was am Abend noch folgte. Ich glaube, wir hatten ein paar Stunden Dienstunterbrechung, die wir mit der Hausaufgabe, eine Lageskizze anzufertigen, verbrachten.

Am Dienstag ging es dann endlich los mit der Sanitätsausbildung, in der alle Rekruten zum Einsatzersthelfer-Alpha ausgebildet werden sollten. Von 8-11 Uhr hatten wir zunächst Unterricht über einige Themen wie Wiederbelebung, Verbrennungen und solcherlei und nach dem Mittagessen ging es dann in die praktische Ausbildung. Dort gingen vier Gruppen vier verschiedene Stationen durch. Die erste handelte von Schockformen, wie man diese erkennt und behandelt und beinhaltete auch den sogenannten Bodycheck, sprich, ein recht genauer Check des Körpers. Die zweite Station handelte von Abbindvorrichtungen. Dort ging es um die verschiedenen Verbände und wie und wann genau man diese nutzt. Die dritte und anstrengendste Station beinhaltete die verschiedenen Tragegriffe. Sprich, wie man einen Kameraden trägt, wenn dieser nicht mehr laufen kann. Da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, ob der Kamerad bei Bewusstsein ist, ob man aufrecht gegen kann oder lieber am Boden bleiben sollte. Es hat dennoch ziemlich Spaß gemacht. Die vierte und letzte Station war ein Fallbeispiel. Da wir im Unterricht Verbrennungen durchgenommen hatten, mussten wir dieses Wissen nun praktisch anwenden. Dazu spielten drei Soldaten verwundete Personen, die wir retten mussten. Da wir so etwas noch nie zuvor getan hatten, erwies es sich als schwierig... wobei, es war nicht schwer, die Wunden zu versorgen, eher, mit den Menschen als solche umzugehen. Ich beispielsweise wusste gar nicht, was ich sagen soll und kümmerte mich stumpf um die Wunden.

Alles in allem war es ein sehr interessanter Tag. Abends ging es dann noch zum Joggen in den Wald mit einem sehr ansprechenden Programm, sodass wir alle gut gelaunt und ausgepowert zurück in die Kaserne kamen.

Der Mittwoch war dagegen wenig interessant, denn es gab keine praktische Ausbildung, nur Unterricht. Und zwar von 8-11 Uhr und von 12-16 Uhr. Es ging dort nur weiter mit verschiedenen Verletzungsarten, beispielsweise Explosionsverletzungen, Erfrierungen, Hitze, Kälte und so weiter. Zudem war noch ein Thema, wie man welche Verletzungen im Körper, beispielsweise an der Milz, am Hirn oder am Herzen erkennen konnte und was man dann am besten tat. Es war ein sehr interessanter, aber auch extrem langwieriger Unterricht, den viele nur mit Energydrinks und einer Menge Dextro überstanden – oder doch schliefen.
Meine Kameraden hatten an diesem Abend wieder frei, ich hingegen hatte GVD. Sprich, man sitzt ewig lange Stunden in einem kleinen Büro, geht vielleicht an das Telefon, wenn jemand anruft, macht vielleicht Meldung, wenn jemand vorbeikommt, aber ansonsten tut man gar nichts. Mein Dienst begann um 18 Uhr. Und bis auf lesen, mit dem Handy spielen, TV schauen und Döner essen tat ich eigentlich gar nichts, außer rumsitzen. Da ich die zweite Schicht erwischt hatte, schlief ich von 21-1 Uhr in meinem Schlafsack auf dem Bett in diesem Büro. Nun, eigentlich bin ich erst um 23 Uhr schlafen gegangen, weil ich den Film noch zu Ende sehen wollte. Ab ein Uhr saß ich dann allein da, da die beiden Kameraden nun schlafen durften. Und bis fünf Uhr schaute ich dann fern und beschäftigte mich mit allen möglichen Dingen. Dann wurde ich entlassen, durfte mich schnell fertigmachen und stand um kurz nach fünf wieder bei meinem Zug und ging zum Frühstück. Hundemüde, wohlgemerkt.

Der Donnerstag hielt wieder Unterricht bereit, am Nachmittag jedoch auch wieder praktische Ausbildung mit jeweils wieder vier Stationen. In einer Station ging es darum, wie man einem Verletzten den Helm abnimmt, in einer anderen übten wir uns in der Reanimation und die anderen beiden waren Fallbeispiele. Das eine Beispiel war ein Autounfall, in dem wir einen Verletzten aus dem Wagen bergen und behandeln mussten. Das zweite Fallbeispiel war das ganz große Highlight der Woche.
Die Situation spielte in Afghanistan in einem Keller, der nach einer Gasexplosion größtenteils zerstört worden war. Die Unfallstelle war nun zwar gesichert, doch befanden sich noch vier Kameraden dort unten, die dringend gerettet werden mussten. Dazu blieb eine Teilgruppe oben und bereitete die Behandlung der Verwundeten vor, eine andere Teilgruppe ging runter und suchte. Da ich mit eine der kleinsten im Zug bin, bekam ich rasch die Rolle der Vorhut, sprich, ich durfte mich als erste in enge Gänge quetschen und gucken, ob man da langkam. Der Keller war natürlich ein richtiger Keller, in den man ein Labyrinth aus Wänden, Schächten und Irrwegen eingebaut hatte. Und das alles mussten wir in völliger Dunkelheit überwinden. Der erste Abschnitt war recht geräumig, die Schächte dagegen knapp 1x1 Meter groß, und verzweigt. Den ersten Verwundeten hatten wir rasch gefunden, nur stellte sich beim blinden Abtasten heraus, dass dieser keine Hände und Beine mehr hatte und nass von Blut war – keine Sorge, es war nur eine mit Kunstblut vollgesiffte Puppe. Aber einen kurzen Schock war es wert. In den Schächten fanden wir dann auch zwei weitere Verwundete, das Problem war nur, dass der eine psychisch total durch war, uns immer weglaufen wollte, sich gegen uns zur Wehr setzte und nach Eddy brüllte. Aber ich wär ja kein Kampfsportler, wenn man damit nicht fertigwerden würde. Ein Hebelgriff, die Füße wurden gefesselt und dann wurde der werte Kamerad aus dem Schacht getragen...nein, gezogen und geschoben. Mit dem Versprechen, ihm Bier auszugeben. Und, ich zitiere: „Haben Sie Frau und Kinder?“ - „Ja, acht!“ - „Kinder?“ - „Nein, Frauen.“
Allerdings dauerte es eine Weile, bis wir mal den Ausgang wiedergefunden hatten. Der dritte Verwundete ließ sich recht einfach bergen, nach dem dritten suchten wir hingegen eine Ewigkeit. Ich selbst fand es ziemlich interessant, unten in einen Schacht geklettert zu sein und eine Etage höher wieder herauszukommen, ohne mich daran zu erkennen, irgendwo hoch gekrabbelt zu sein. Und da ich die Höhe nicht erwartet hatte, flog ich da erstmal wieder runter. Man sah ja nichts. Unter viel Gebrüll und Schweiß schafften wir dann endlich auch den letzten Kameraden nach oben. Und als wir wieder im Licht waren... nun, unsere Uniformen waren versaut. Überall klebte Dreck, Kunstblut und weiße Farbe. Ich zitiere erneut: Beim Marsch „Haben Sie Ihrem Vordermann auf den Rücken gewixxt, oder warum ist der da so weiß?“
Es ist echt schwer zu marschieren, wenn alle extrem lachen müssen.
Abends ging es dann noch zum Sport. Da es aber so heiß war, beschränkte sich der Ausbilder auf einen kleinen Kraftworkout auf der Wiese vor dem Gebäude.

Und dann war es schon wieder Freitag. Wir hatten noch einen abschließenden Unterricht über die Rechtsgrundlagen und einen Test, den man bestehen musste. Ob wir alle bestanden haben, erfahren wir dann am Montag.

So, das war die Sanitätsausbildung. Eine, für mich persönlich, sehr entspannte Woche. In der nächsten Woche geht es um die Fernmelde- und Wachausbildung. Da ich mir noch nicht allzu viel darunter vorstellen kann, lasse ich mich einfach mal überraschen.

Auf eine neue Woche.